Pergamentobjekte bei den Naturvölkern

Gerade im Bereich der Sahelzone im nördlichen Nigeria und südlichem Mali gibt es eine bis heute lebendige, recht hoch entwickelte Pergamentkultur. Gerade die Manding aus Südmali sind hierfür berühmt. Bekannt sind Hüftschurze aus Pergament, die mit einer geschickten Schältechnik verziert wurden und auch aufgenähte, verzierte Streifen haben. In deutschen Museen befinden sich auch Fächer aus Pergamenthaut, die um 1920 gesammelt wurden. Sie wurden gegen die Hitze und auch gegen die Fliegen eingesetzt. Bekannt ist übrigens auch der Gebrauch von pergamentbespannten Trommeln.

Weiter nördlich, im Gebiet der nordwestlichen Sahelzone, kann man heute noch viele Gebrauchsgegenstände aus Rohhaut entdecken. So sind bei den Tuareg sogenannte talbittant – Gefäße aus getrockneter Rohhaut, die auf einem Tonkern gespannt wurden – bekannt. Diese finden sich in den einschlägigen Souvenirläden von Agadez/Niger und Djanet/Südalgerien. Die Verbreitung dieser Gefäße zieht sich nach Süden bis etwa Nordnigeria, wo sie bei den Kanuri verwendet werden. Auch im südlichen Afrika gibt es Beispiele für Behälter aus Pergamenthaut. Diese sind für die Tswana/Botswana belegt, wo sie zum Transport von Dickmilch verwendet wurden. Pergamentobjekte sind auch bei den Arussi in Äthiopien bekannt gewesen. Sie verwendeten noch bis in die 1950er Jahre pergamentene Tragegurte zum Tragen der tönernen Melkgefäße.

Im weiten Bereichen der Sahelzone vom Kamerun bis Mali und Niger über den Tschad bis zu den nomadischen Völkern Ostafrikas wird Pergament oder Rohhaut verwendet, um die hölzernen Scheiden der Schwerter und großen Messer zu überziehen. Frühe Belege hierfür stammen beispielsweise von den im Südkamerun lebenden Bali aber auch bei den pergamentliebenden Manding im Mali. In den Sammlungen finden sich auch Schwerter aus Nubien/Sudan aus dem Jahr 1924 und aus der gleichen Zeit auch aus Somalia. Gerade nomadische Völkern steht durch ihren Fokus auf Viehhaltung gewöhnlich der Rohstoff zur Pergament- und Lederherstellung reichlich zur Verfügung. So wundert es nicht, daß beispielsweise die Tuareg aus diesen Stoffen Seile, Zaumzeug, Sättel, Peitschen, Schilde, Schwerthüllen, Dolchscheiden und verschiedene Sandalentypen herstellten.

Die für ihre Lederkopfbedeckung bekannten Herero/Namibia verwendeten Pergament, um das Kopfleder mit ohrenähnlichen Aufsätzen zu versehen. Diese wurden aufgenäht. Die Maasai in Kenia und Tansania verwendeten Knieschmuck aus Pergament, um daran herabfallendes Affenhaar zu befestigen. Beispiele hierfür stammen aus dem Jahr 1950.

Die massive Verwendung von Leder und Pergament verschwand mit dem Einzug der „westlichen Moderne“. Leder wurde für viele afrikanische Völker der Inbegriff für Rückschrittlichkeit. So verschwanden nach der Ankunft der weißen Missionare gewöhnlich zuerst die schönen Lederschurze der Frauen und wurden oft genug in den ersten Jahren durch billige Kleider aus europäischen Kleiderspenden und in den letzten Jahren durch chinesische Massenimporte ersetzt. Jedoch gibt es zahlreiche Einzelbeispiele, wo die Universalität dieses Naturstoffes für moderne Verwendungen ausgenutzt wurde. So konnte ich während meiner Reisen im Südalgerien, Nordniger & Nordmali sehen, wie die Fahrer der Allradfahrzeuge ihre Teegläser schützten. Diese Gläser sind als Teil der für den Alltag so wichtigen Teezeremonie unersetzbar und vom täglichen Transport bedroht. So wurden hölzerne Teeglashalter in Form von kleinen Truhen gebaut, die mit Leder oder Pergament bespannt wurden. Für die Hauptstadt von Burkina Faso sind für die späten 1970er Jahre Fahrradkörbe belegt, bei denen Pergament um einen Holzrahmen gespannt wurde. Dies ist die quasi „natürliche“ Fortsetzung einer Transportart, bei denen früher ähnliche Gerüste Eseln übergelegt wurden.

Lederkleidung der Mursi-Frauen/Südäthiopien

Trommeln und Maskenbau in altafrikanischen Gesellschaften

In einem weiten Bereich Afrikas werden mit Pergament bespannte Trommeln verwendet. Dieser Bereich reicht von den Savannenregionen Ostafrikas und des östlichen Sudans bis nach Kamerun. Er schließt aber auch die Waldgebiete und Waldsavannen Zentralafrikas ein. Beispiele aus dem Savannengürtel Afrikas stammen von so unterschiedlichen Völkern wie die Saramo/Tansania und dem Kordofan/Sudan sowie aus Nordkamerun und Nordost-Nigeria. Aus dem Bereich der Waldsavanne finden sich Belege aus Uganda, dem nördlichen Zaire (Azande), Mali und Togo. Im Urwaldbereich Zentralafrikas finden sich mit Pergament bespannte Trommeln aus dem Gebiet des Unterlauf des Kongo-Flusses in Kongo und aus Südkamerun vom Volk der Fang. Die Materialien reichen von Ziegenpergament bis zu exotischeren Tierarten wie Warane und andere größeren Eidechsen (Uganda, Nordkamerun). Auch für den arabischen Raum wird Pergament zum Trommelbau verwendet. Während mir ein Souvenirhändler in Kairo stolz eine Aluminium-trommel präsentierte, deren Trommelfell aus Fischhaut sein soll, ist die Existenz von Rahmentrommeln im gesamten arabischen Nordafrika in ethnologischen Sammlungen der 1920er Jahre gut belegt.

Einige altafrikanische und arabische Völker verwenden auch Harfen und Lauten mit einem pergamentbespannten Resonanzboden. So beispielsweise die masinko genannte Kastenspießlaute aus Äthiopien, die mit Rindspergament bespannt ist. Ein Sammler brachte 1980 eine aus einer halben Kalebasse hergestellte Harfe aus Boutilimit in Mauretanien mit.

Eine ganz besondere Verwendung stellt der Gebrauch des Pergaments zur Herstellung von Masken dar. Diese finden sich im Gebiet des südnigerianischen Regenwaldflusses Kreuzfluß (Cross-River), wo die für Westafrika so typischen Geheimbünde existieren. Diese stellten pergamentüberzogenen Masken und Figuren her. Im rituellen Gebrauch stellen maskentragende Tänzer die verstorbenen Mitglieder dieses Geheimbundes – wie beispielsweise des Egbo-Bundes dar. Als Material wird Antilopenpergament verwendet, wobei diese Wahl vermutlich nicht zufällig ist. Victor Turner wies die hohe symbolische Bedeutung jedes Aspekts eines afrikanischen Rituals dar. Vermutlich hängt die Wahl des Materials mit dem Jagdzauber und ihm zugeschrieben magischen Eigenschaften zusammen. Diese Art des Amskenbaus hat sich bis ins Grasland Kameruns verbreitet, wo sie Europäer ab 1895 in ihre Sammlungen aufnahmen. Bis zur Ankunft der Kolonialherren bestand für die verbreitet Kopfjagd ein ähnlicher Brauch, wobei die Schädel der Trophäen mit getrockneter Haut umklebt wurden.  

Westafrikanische Trommel - Malinke-Volk

Organisation der Arbeit bei den Pergament- und Ledermachern in Afrika und im Orient

In vielen Bereichen der Sahelzone sind Leder- und Pergamentarbeiter – wie übrigens auch andere Handwerksgruppen wie Töpfer, Weber und Schmiede - in endogame Kasten unterteilt. Diese stehen gesell-schaftlich gewöhnlich unter der Mehrheitsbevölkerung, sind aber für wichtige Rituale unersetzlich. Oft werden ihnen auch übersinnliche Kräfte und Fähigkeiten zugeschrieben. So ist bei den Tuareg Gerben traditionell Aufgabe der Schmiedefrauen sowie auch bestimmter Sklavengruppen. Bei den Oromo und Somalis am Horn von Afrika gibt es endogame Gerberkasten. In dem von vielen, kleinen Völkern besiedelten Omo-Gebiet Südäthiopiens ist das Handwerk in den Händen bestimmter Völker konzentriert. So sind die Aari als Handwerksvolk Lieferant von Töpferwaren für die sie umgebenden Zemai, Hamer und Mursi. Ihre magische Kraft und rituelle Bedeutung zeigt sich in der Fähigkeit der Handwerker zur magischen Heilung, um Flüche zu lösen, in ihrer Beziehung zum Herrscher als Henker, Leibwache, Bote, Diener oder als Musikant. Bei den Tuareg der westlichen Sahara vermitteln die Schmiede zwischen der Kaste der Adligen und verkünden bei der Geburt den Namen des Kindes. Bisweilen sind auch nur bestimmte Geschlechter als Gerber zugelassen. Bei den Massai und Borana/Äthiopien gerben nur die Frauen, während das Gerben im südlichen Afrika Männerarbeit ist.

Selbst in Nordafrika, wo der Islam einen ganz starken egalisierenden Einfluß auf die Bevölkerung ausübte, haben sich Lederarbeiter zu Handwerksgilden zusammengefunden, die eine hochspezialisierte Kultur entwickelt haben. So waren die Gerbergilden in Marokko paramilitärisch organisiert. Auf gemeinsamen Jagden wurden rituelle Lederhemden getragen. Ihnen wurde geringe Bildung nachgesagt. Nach der Arbeit fanden sich in getrennten Runden Lehrlinge und Meister zusammen, um gemeinsam Haschisch zu rauchen – möglicherweise um die Wirkungen des unerträglichen Gestankes zu mildern. Auch in Marokko haben Gerber magische Kräfte: Durch ihre Fähigkeit, tote Haut zu neuem Leben als edles Leder wiederauferstehen lassen zu können, haben sie eine Beziehung zum Jenseits (ghaib). Dem behandelten Leder wurde durch die Taubenkot-Beize die von der Mutter ererbte "erdverbundene Seele" (nafs) gegeben, während die väterliche, "himmelsgebundene Seele" (rûh) im Gerbbad übertragen wird.  

Wochenmarkt in Nordafrika

Das Handwerk in der Sahelzone

Auch wenn in Äthiopien Pergament hauptsächlich von Mönchen hergestellt wird, so liegt doch das Handwerk ganz allgemein in der Sahelzone und der Sahara in den Händen von kleinen, endogamen und marginalisierten Gruppen innerhalb der jeweiligen Mehrheitsgesellschaft. Diese Gruppen werden auch oft als Kasten bezeichnet, obwohl dieser Begriff stark mit dem indischen Kastensystem assoziiert wird. In der äthiopischen Kastengesellschaft stand bis in die Neuzeit der Adel an vorderster Stelle, dichtauf gefolgt vom Klerus. Die Bauern bildeten die große Mehrheit des Volkes. Die Schmiede, Weber, Töpfer und Lederarbeiter bildeten eigene Kasten. Deren Mitglieder stammten oft aus anderen Religionsgruppen. In Gondar beispielsweise waren es jüdische Falascha, deren Männer die Grobschmiede waren, während die Frauen Töpferwaren produzierten. Muslime hingegen waren traditionell mit der Weberei und der Lederverarbeitung beschäftigt. In der Westsahara, der Heimat der Tuareg, gehörten die Handwerkskasten als Muslime der Mehrheitsreligion an, jedoch heirateten sie nur untereinander. Auch hier waren die Männer Schmiede – Grob-, Waffen- und Silber-schmiede, während die Frauen Leder verarbeiteten und töpferten. Ähnliche Beispiele ließen sich von Somalia über Südäthiopien, Sudan, den Tschad bis zu den Bambara im Süden Malis ergänzen. Verbunden war das Kastenwesen mit besonderen rituellen Aufgaben. Zwar galten beispielsweise die Schmiede der Tuareg als „unrein“, aber man brauchte sie zu bestimmten Ritualen und Tätigkeiten. So war es immer ein Schmied, der die Geburt eines Tuaregkindes verkündete. Schmiede vermittelten zwischen Adeligen und hatten dabei ein Verhalten wie „Hofnarren“. Sie durften die gesellschaftlichen Normen brechen und durften dafür auch nicht bestraft werden. Sie waren auch gefürchtet, denn sie hatten Macht über das Eisen – was wiederum in Form von Waffen den Tod brachte. Somit hatten die Schmiede Macht über Leben und Tod.

Arabische Amulettrolle

Das Färben von Leder in der westlichen Sahelzone

In Westafrika, vor allem bei dem Hausa in Nordnigeria haben sich hochentwickelte Technologien des Lederfärbens entwickelt. Da in diesem Gebiet die hochgeschätzten Oasenziegen leben, wird hier vor allem Ziegenleder verarbeitet. Zuerst werden die schlachtfrischen Häute in großen, eingegrabenen Tontöpfen eingeweicht und gereinigt. Schließlich werden sie für einige Tage in einer milden, alkalihaltigen Lösung aus der Asche des Marulabaumes (Scelerocarya birrea) und verbrannten Indigoblättern eingeweicht, um die Haare zu lockern. Diese werden mit einem gebogenen Messer abgeschabt. Hierzu werden die Häute über einen großen Mörser gelegt, der normalerweise dazu dient, Sorghum und getrocknete Cassava zu stampfen. Danach wird die Haut in einem leichten pflanzlichen Natursäurebad gebeizt, wobei sie durch das neutralisieren der Alkalilauge ihre gummiartigen Eigenschaften verliert. Nun ist die Haut fertig zum Gerben. Hierzu verwendet man die zerstoßenen Früchte zweier Akazienarten (Acacia arabica und Acacia nilotica). Schließlich wird als Finish Erdnußöl in die Häute eingestampft.

Um rotes Leder zu erhalten verwenden die Hausa Sorghumstengel oder die Blattscheiden des Guinea-Korns. Diese werden nach dem trocknen zerstoßen und mit Mehl, Natron und heißem Wasser angerührt. Geld erhält man durch Tamarindenschoten oder die gelben Wurzeln des Schneckensamenbaums (Cochlospermum tinctorium). Auch das in der Küche zum Gelbfärben der Speisen verwendeten Gelbwurzel und Kurkuma wird benutzt. Zum Blaufärben verwendet man Indigo, dessen Verarbeitung auch zum Färben von Baumwollstoffen eine lange Tradition hat. Da Grün als die heilige Farbe des Islams gilt, haben sich nur wenige Gruppen darauf spezialisiert. In der Stadt Sokoto/Nordnigeria wird es aus einer Lösung von Kupferspänen, Natron, Salz, Zitrone und Wasser gewonnen. Diese wird auf die aufgespannte Haut gestrichen und über Nacht eingeweicht. Dieser Farbton ist über Jahrhunderte lichtecht.

Arabische Amulettrolle

Die Lederverarbeitung bei den Tuareg

Anhand der Tuareg in der westlichen Sahara und Sahelzone läßt sich beispielhaft die Verarbeitung des Leder in Westafrika erklären. Die traditionelle Tuareggesellschaft ähnelte der europäischen Feudalzeit, mit ihren strengen Hierarchien. Ganz oben war die Kriegerkaste der adeligen Tuareg; dicht gefolgt von der Klasse der Schriftgelehrten. Darunter war die große Masse der Tuareg, die von und mit ihren Herden lebten. Innerhalb dieser Hauptschicht existierten endogame Handwerkerkasten. Bei den Tuareg sind dies die Schmiede, während bei anderen Völkern wahlweise die Weber, Töpfer, Zauberer, Jäger der Schnitzer eigene Kasten bildeten. Die Schmiedekaste hat besondere rituelle Verflichtungen. So müssen Schmiede beispielsweise vermitteln, wenn sich zwei adelige Tuareg verstritten haben. Ein Schmied ist es auch, der den Namen eines neu geborenen Kindes verkündet. Schmiede heiraten nur untereinander. Ganz unten im Volk stehen die Sklaven, die oft in Oasen angesiedelt wurden und von Landwirtschaft lebten. Was die Lederverarbeitung anbelangt, so ist Gerben Aufgabe der Schmiedefrauen, obwohl auch Sklavenfrauen daran beteiligt sind. Die Frauen der Adelskaste widmeten sich der Lederstickerei.

Zum Gerben dienten bestimmte Akazienarten (Acacia scorpioides und Acacia seyal) oder die Galläpfel der Tamariskenbäume. Zusätzlich wird Leder zum Imprägnieren und Weichmachen mit Butter eingerieben. Oft kommt auch eine Moschung aus zerstoßenen Datteln und Hirse zum Einsatz. Schließlich wird das Leder im nassen Sand eingegraben und zum Schluß gewalkt. Wasserschläuche werden auf eine andere Art hergestellt. Hierzu wird in den Hautsack eine Mischung aus Wasser und Akazienrinde (Acacia seyal) eingefüllt. Im Air-Gebirge werden die Säcke mit Asche gefüllt und im feuchten Sand vergraben. Nach einer Woche wird die Innenseite mit Butter eingerieben. Die Haare werden mit Pergularia tomentosa aus der Familie der Hundsgiftgewächse oder mit Salz gelöst.

Die Tuareg kennen eine Anzahl von natürlichen Farben. Hier ist auch der Ursprung des heute in Nordnigeria verwendeten Grüns auf Basis von Kupfervitriol. Dieses wird wahlweise mit Zitronensaft, Erdnußbutter oder nach einem anderen Rezept mit Buttermilch und Ammioniaksalz versetzt. Ein anderes, sehr dunkles Grün entsteht aus Salzerde. Bekannt sind die Tuareg jedoch für ihre blauen Gewändern, was sie übrigens nicht selbst herstellen. Es wird in Nordnigeria aus Indigopflanzen gewonnen. Die Tuareg kaufen es als Pigmentbällchen auf den Märkten. Ein weiteres Blauschwarz enststeht durch kristallines Sulfat. Weißes Leder wird mit Buttermilch gefärbt, der wahlweise zerstoßener Reis oder Salz hizugefügt wird. Gelb hingegen entsteht durch Kupferstaub, der mit Salz und Buttermilch gemischt wird. Schwarze Farbe wird durch Antimonpulver gewonnen, was mit ausgeglühten Knochen versetzt wird.

All diese Färbemethoden waren den Afrikanern zwar bereits vor Ankunft der Kolonialherren bekannt, jedoch stammen sie aus Nordnigeria. Die Tuareg selbst kannten zu vorkolonialen Zeiten lediglich das Färben mit Ocker und Butter.

Arabische Amulettrolle

Die Lederverarbeitung in Kamerun

Die Kirdi im äußersten Norden des ethnographisch interessanten Kameruns sind ein Beispiel für ein altafrikanisches Volk, bei dem Leder weit über den praktischen Gebrauch hinaus eine fast sakrale Bedeutung genoß. Ursache hierfür ist der hohe Status von Rindern und deren Besitz. Die Kirdi gehören zum Cattle Complex („Rinder-Komplex“), der sich vor allem für die Völker Ostafrikas umd am Horn des Kontinents beschreiben läßt. Dies zeigt sich beispielsweise in der Dichtkunst, die sich selbst bei Sprachkenntnissen ohne Veterinär-studium des Lesers kaum vollständig verstehen läßt. Auch im Begräbniskult ist er sichtbar, denn die Toten werden in Ziegenhäute eingewickelt. Man trug bis in die 1950er Jahre einen Schurz aus Ziegenleder, während unverheiratete Mädchen eine Schamschürze aus Lederfransen trugen. Leder wurde nicht nur für Kleidung, sondern auch für Waffen verwendet. Es gab Helme, Schilde und Köcher aus Leder. Die Kirdi stellten auch eigene Trommeln her, deren Haut aus Pergament bestand.

Arabische Amulettrolle

Das Leder in Nordafrika

Nordafrika verfügt über eine hoch entwickelte Handwerkskultur. Das städtische Handwerkertum ist Zünften organisiert und konzentrieren sich in bestimmten Gassen der Altstadt. In Fes/Marokko beispiels-weise sollen diese Zünfte bereits im 12.Jahrhundert existiert haben. Sie schwollen durch Flüchtlinge aus Andalusien und Tunesien bis auf 100 Gerbereien an, die ihre Produkte teilweise bis Bagdad/Irak exportierten. Die älteste Gerberei in Fes ist Gerniz, die 31 Gerber-meister beschäftigte und sich, wie die übrigen Gerbereien spezialisierte. So gerbt Gerniz ausschließlich Rind- und Kamelleder und stellte früher ein rosa Ziegenleder her, was nur für die Bevölkerung der Stadt Rabat sowie für Juden bestimmt war. In der Gerberei Ain Azliten, die im 18. Jahrhundert entstand und 37 Meister beschäftigte, wurden fast ausschließlich Ziegenleder zur Herstellung von Bambuschen gegerbt.

Die Gerbereien nehmen ein großes, offenes Terrain ein, was über und über mit Gerbergruben bedeckt ist. Rundherum befinden sich die Lagerhäuser, in denen Häute getrocknet, zugerichtet und für den Verkauf gelagert werden. Auf den Dächern trocknen die Häute nach dem Gerben. Die Gerber kaufen die Häute in den Schlachthöfen. Einige Meister haben sich nur auf das Entfernen der Haare spezialisiert. Dies erreichen sie durch eine Mischung aus Kalk, Asche sowie von Preßrückständen von Olivenöl. Ziegenhäute werden auch mit Tonerde enthaart. Nach dem Wässern in fließendem Wasser wird die Fleischseite auf dem Scherbaum gereinigt. Danach folgt ein mehrwöchiges Kalkbad, in dem die restlichen Haare zersetzt werden. Diese Arbeit ist schwer und gesundheitsschädlich, da die Arbeiter die Häute mit nackten Füßen stampen. Nun werden die Häute mit einem halbrunden Messer vollständig glattgeschabt. Leder wird mit Taubenkot gebeizt, was Kinder aus den Bergen sammeln und in der Stadt verkaufen. Dem folgt ein zweiwöchiges Kleiebad. In der Blütezeit der Gerbereien folgte nun ein Bad in dickem Feigensaft, wodurch die Gerber eine absolute Spitzenqualität erreichten. Erst jetzt folgt der eigentliche Gerbevorgang, wobei wie in Westafrika die Galläpfel der Tamarisken verwendet. Diese werden in großen Mengen in speziellen Mühlen gemahlen oder von Lehrlingen mit dem Mörser gestampft. Rinder- und Kamelhäute werden mit gemahlener Eichenrinde gegerbt, wobei dieser Vorgang je nach Jahreszeit zwischen ein und vier Wochen dauert.

Nun wurde das Leder zugerichtet. Zwei Gerber streckten die Häute, um Unebenheiten zu beseitigen. Heute wird das Leder noch mit einem Holz geglättet und mit einem stumpfen Eisen poliert. Der ganze Prozeß der Lederverarbeitung dauerte mindestens sechs Wochen, wobei man im Winter für große Häute ein viertel Jahr rechnen mußte.

Außerhalb der Gerberzentren haben sich weitere Behandlungen erhalten. So verwendete man auch Rosmarin, Henna, Granatapfelrinde, Gerstenmehl oder Wacholderblätter.

Ganz besonders berühmt war das Maroquin-Leder, dessen Name die französische Bezeichnung für Marokko ist. Dies wurde nach Europa exportiert. Deren begehrte blassgelbe Farbe wurde durch eine Mischung aus Alaun und unreifen Granatäpfeln erreicht. Ein im Senegal nachgefragtes, noch blasseres Gelb wurde durch ein Bad in Weinsäure erzielt.

Das Handwerk war Zunftweise organisiert, denen ein oder mehrere amin vorstanden. Sie wurden aufgrund ihrer persönlichen Eigenschaften gewählt und vom Herrscher auf Lebenszeit in ihrem Amt bestätigt. Sie kontrollierten die Rohstoffe und Mühlen und schlichteten bei Streitigkeiten. Nach ihnen kamen die Meister, die Arbeiter und unter diesen wiederum die Lehrlinge. Auf den Arbeitern lastet die Schwerstarbeit. Ihnen oblag das anstrengene Stampfen der Häute in den ätzenden Gerberbrühen. Die Lehrlinge wurden ab zehn Jahre aufgenommen, und rekrutierten sich meist aus den Söhnen der Meister und Arbeiter. Ihre Lehre dauerte zwischen zwei und fünf Jahre. Sie befüllten die Gruben und transportierten die Häute. Sind sie in der Lage, Häute zu walken, haben sie ausgelernt. Dann gibt ihnen der Meister eigene Häute, die sie auf eigenen Gewinn verkaufen konnten. Die Meister kamen alle aus der Gerberstadt und waren untereinander verwandt.

Die Gerber von Marrakesch waren gesellschaftlich tief stehend. Eine Legende erklärt das Handwerk als göttliche Strafe und brachte es in Verbindung mit bösen Geistern. Sidi Yaqub – einer dieser Geister – ist der Schutzpatron der Gerber. Sie hatten eigene Bräuche und Traditionen. Sie waren für ihre Aggressivität bekannt und trugen zu speziellen Jagdausritten rituelle Lederkleidung. Sie gingen nicht zur Schule und trafen sich nach der Arbeit zum gemeinschaftlichen Haschisch-Rauchen.

Gerbergruben in Fes/Marokko

Lederkunst in Marokko

Daß Lederverarbeitung auch in Nordafrika ein sakrales Element hat, kann man deutlich in der Glaubenswelt der nordafrikanischen Gerber erkennen. Sie sehen den Prozeß des Gerbens als eine Wiederauferstehung der toten Haut. So bezeichnet man in Tetouan/Marokko den Gerbeprozeß als tlo´a (طلاعة, Wiederauferstehung). Das Kalkbad beinhaltet die Reinigung im Fegefeuer. Durch das Bad im Taubendung erhält sie die mütterliche Seele des nafs (نفس). Im Gerbbad wird ihr dann die väterliche Seele des rûh (روح) verliehen.

Das marokkanische Leder genießt Weltruhm. Das berühmte, weiche, nur auf der Narbenseite gefärbte Leder wurde seit Jahrhunderten nach Europa exportiert. Die Bezeichnung Saffianleder stammt von der Bezeichnung der Hafenstadt Safi, über die es nach Nirden gelangte. Auf Französisch wird dieses spezielle Leder als maroquin bezeichnet, was übersetzt "das Marrokanische" bedeutet. Es entstand im 15.Jh. und wurde aus dem damals noch muslimischen Andalusien und Nordafrika über die italienischen Hafenstädte Venedig und Neapel nach Nordeuropa importiert.

Eine besondere Färbemethode wurde in Südmarokko in Tafilalt im Draa-Tal praktiziert. Hier entstand ein sehr schönes sattes rotes Pigment aus den zu Pulver zerstampften Wurzeln des Färber-Krapp, das mit Dattelpaste, Öl und Alaun gemischt wurde. Ein weiteres rot entsteht aus der auch Cochenille genannten Kaktusschildlaus. Die abgesammelten Läuse werden mit Alaun versetzt. In Marrakesch färbt man damit Stier- und Ziegenleder. Braune Lederfarbe entsteht auf natürliche Weise durch die Lohgerbung, die im ländlichen Marokko praktiziert wird. Hieraus wurden Bucheinbände und Korantaschen gefertigt. Schwarzes Leder wurde in Constantine/Algerien aus geraspeltem Brazilholz oder aus Eisenvitriol hergestellt. Hieraus machte man die Pantoffeln der Jüdinnen, denen die schwarze Farbe vorgeschrieben war.

Auch die weitere Lederverarbeitung in Marokko war hochspezialisiert. Die harraz stellten die typischen Pantoffeln her, von denen es dutzende Formen gibt. Die skariya oder Taschenmacher existierten neben den Sattelmachern und den dellayine (Ledersackhersteller). Die seffara stellten wunderschöne Ledereinbände für Prachtkorane her; eine Kunst, die im 20. Jahrhundert ausgestorben ist.

Das Kunsthandwerk kannte viele Möglichkeiten der Verzierung des Leders. Es wurde getrieben, punziert, mit Blindlinien beprägt, ausgeschnitten und aufgeklebt. Die Oberfläche wurde abgeschält, es wurde bemalt, vergoldet, mit Lederstreifchen oder Wollfäden bestickt. Mit Seide und Silber- bzw. Goldfäden benäht. Schließlich konnte man es mit einer Samtunterlage versehen oder mit Lederfransen versehen. All diese Techniken hatten ihren regionalen Schwerpunkt. Goldfäden wurden ausschließlich von den Juden im Atlasgebirge verarbeitet. Die Schältechnik findet sich nur im westlichen Marokko, während die Stickerei mit Lederfädchen eine Besonderheit von Tafilalt ist. Das Besticken mit Wollfäden wiederum ist eine Eigenart westalgerische Gebiete um Tlemcen herum.

Arabische Amulettrolle

Technologien der Pergamentherstellung in Afrika

Obsidian: Die Häute wurden nach dem Anpflocken und Aufspannen mit verschiedensten Materialien abgekratzt. Im christlichen, muslimischen und von den Naturvölkern besiedelten Teilen Äthiopiens wurden baldjut – Obsidianklingen – verwendet, wobei dies eine verbreitet Art des Messers war. Heute berichten Zeitzeugen noch, daß mit diesen Klingen Kinder rasiert wurden. Damit der Schweiß die Haare weich werden ließ, schickte man sie vor der Haarschur zu einem kleinene Dauerlauf. Obsidianklingen stellten bereits in der Antike wichtige Handelsgüter dar und wurden beispielsweise von Äthiopien und dem nördlichen Sudan bis in den Mittelmeerraum gehandelt. urück zum Pergament: Die Massai Kenias und Tansanias verwendeten neben Eisenäxten und Messern auch die angeschärften Schulterblätter von Ochsen, während die Zulu Südafrikas die scharfen Blätter von Aloe-Pflanzen verwendeten.

Ätzkalk: Ein Grundaspekt der Pergamentherstellung ist die Lockerung der Haare. In Afrika geschieht dies gewöhnlich ohne chemische Hilfsmittel. Die Häute werden mehrere Tage gewässert, wobei sich die Haare durch den einsetzenden Verwesungsprozess lockern und danach ohne weiteres mechanisch beseitigt werden können.  In Europa geschah dies durch den Gebrauch von Ätzkalk. Auch in den arabisch-islamischen Teilen Afrikas wurde auf diese scharfen Kalklaugen zurückgegriffen. Beispiele hierfür finden sich in Fes/Marokko. Die Vorteile aus europäischer Sicht sind ein Binden des Verwesungsgeruches der Häute, eine Reduktion des Fettanteils durch einen chemischen Verseifungsprozeß sowie ein Aufhellen der Häute. Interessanterweise waren afrikanische Gesellschaften durchaus in der Lage, Kalklaugen herzustellen. Dieser Gebrauch ist in Afrika schon seit mindestens 1550 belegt, als die Gondarkaiser portugiesische Spezialisten zum Kampf gegen konkurrierende muslimische Herrscher ins Land riefen. Zum Festungsbau wurden die Äthiopier in der Herstellung von Ätzkalk unterrichtet. Dieser wurde nicht gebrannt, sondern „fermentiert“: In großen, geschlossenen Gruben wurden Kalksteine vergraben und über mehrere Jahre feucht gehalten. Durch eine mir unerklärliche chemische Reaktion entsteht Ätzkalk, der nach Angabe der Restauratoren zwar länger zum Abbinden braucht, jedoch schließlich stabiler ist. 

Lockern der Haare: In einigen Gebieten Afrikas wurden die Haare in Aschelaugen eingelegt, um die Haare zu lockern. Dies ist für die Borana Südäthiopiens belegt. Dies ist auch für Marokko belegt, wo zudem noch alkalihaltige Erden in Gebrauch waren. In anderen Pergament prodzierenden Teilen Afrikas wurden die Haare durch „Schwitzen“ - einen natürlichen Verwesungsprozeß gelockert. So wurden die Häute über mehrere Tage in Erdgruben vergraben. Belegt ist dies für die Buschmänner Namibias und die Mursis Südäthiopien. Dieser natürliche Schwitzungsprozeß hat seine Tücken. So gilt es den von der Luftfeuchtigkeit der Umgebung wie auch der temperatur abhängigen richtigen Zeitpunkt abzupassen. Schwitzen die Häute länger als fünf Tage, so löst sich die Haut auf und es entstehen Löcher beim Aufspannen der Häute. Nimmt man sie zu früh heraus, so sind die Haare noch fest und die Klingen werden beim Abkratzen der Haare zu schnell stumpf. Bei einigen Völkern kommen weitere Pflanzen zum Einsatz. Die Tuareg verwenden eine bestimmte Pflanze aus der Familie der Hundsgiftgewächse (Pergularia tomentosa).

Meqad und Bilawa der Pergamentmacher

Pergamentkunst in Äthiopien

In der Frage, inwieweit Häute von religiös als unrein angesehenen Tieren zur Herstellung heiliger Schriften verwendet werden darf, nimmt die äthiopische Kirche eine Zwischenstellung zwischen der jüdischen und der weiteren mitteleuropäischen Tradition ein. So wird in der äthiopischen monophysitischen Tewahedo-Kirche nach alttestamentarischem Brauch Pferdefleisch aus religiösen Gründen nicht gegessen. Aus diesem Grund hatten die mit der Pergamentherstellung betrauten Mönche zu den meisten Zeiten und vielen Orten religiös begründete Vorurteile, Pferdepergament zur Herstellung heiliger Schriften zu verwenden. Trotzdem finden sich in den verschiedenen Klosterbibliotheken zwischen Debre Libanos/Shoa und Lalibela/Wollo immer wieder Beispiele dafür.

Über Alebachew Sitotie können in Äthiopien touristische Reisen zu den wichtigsten Bibliotheken organisiert werden. Siehe hierzu https://www.toptrekkinglalibela.com.  

Evangeliar aus Äthiopien

Äthiopien: magische Schutzamulette (telsem)

In Äthiopien wie im gesamten Horn von Afrika und darüber hinaus fast überall in Afrika gibt es Amutelle, die Schutz vor negativen Kräften versprechen. Sie werden getragen gegen Krankheiten, Vergiftungen, Verlaufen, den Bösen Blick oder Unglück im Allgemeinen. Im Bereich des christlichen Äthiopiens sowie des islamischen Sudans werden sie beispielsweise als Anhänger um den Hals getragen oder auch gerne um den Oberarm gewickelt. Sie werden ኪታብ (kitab; vgl. كتاب (kitâb, arabisch: Buch)) oder ጠልሰም (telsem; vgl. Talisman) genannt. Hier ein solches Exemplar aus dem äthiopischen Christentum. Es werden Pergamentstreifen von etwa fünf bis acht Zentimeter gefertigt und diese dann mit religiösen Texten und Formeln beschrieben. Hinzu kommen magische Zeichen wie das Pentagramm sowie Bilder von Schutzheiligen oder Engeln. Letztere auch gerne in Abwehrgesten: die Engel mit gezücktem Schwert, mit abwehrend erhobener Hand oder mit einem überdimensionalem Auge. Geschrieben wurden sie in Äthiopien gewöhnlich in Amharisch – die Sprache des einfachen Volkes – und nicht in Ge´ez, was die Sprache der hochreligiösen Gelehrsamkeit und des christlichen Rituals ist. Neben dieser Form gibt es auch Amulettbehälter aus Leder, in denen diese Texte dann wettergeschützt aufbewahrt und um den Hals getragen werden. Mit der Herstellung sind Deptera – religiöse Laien, die auch über magische Kräfte verfügen – betraut. Im Nordsudan werden diese Amulette Hadjab genannt. Auch hier trägt man sie sowohl um den Oberarm als auch um den Hals. Die Texte werden vom lokalen Ritualspezialist (Scheich) geschrieben, gesegnet und zu Amuletten verarbeitet. Im Mali konnte ich einmal ein Schutzhemd sehen, in das flächendeckend Schutzamulette eingearbeitet worden waren. Eines neben dem Anderen. Es diente im Krieg als Schutz vor den Kugeln des Gegners. Der Besitzer hatte dereins den Preis eines Kamels dafür bezahlt. In der Zentralafrikanischen Republik findet sich ein solcher magischer Glauben sogar in dem Namen einer Rebellengruppe wieder: „Anti-Balaka“[Anti balle AK(...47)] – also wirksam „gegen die Kugeln der Kalashnikow".

Die Bezeichnung der Schutzamulette als kitab (ኪታብ) ist bemerkens-wert. Hier hat ein arabischstämmiges Lehnwort Eingang in das Amharische gefunden [amhar: ኪታብ (kitab = Schutzamulett) entspricht arab. كتاب (kitab =Buch)]. Dies ist nicht selbstverständlich, da es mit mezhaf (መጽሓፍ) eine einheimische Bezeichnung aus dem Kirchenäthiopischen (Ge´ez) für „Buch“ gibt. Ge´ez wird allerdings mit offizieller Religiosität, d.h. mit Christentum assoziiert, während für das Feld der inoffiziellen Religiosität – d.h. Magie – in diesem Beispiel das Arabische verwendet wird. In afrikanischen Gesellschaften, die selbst nicht islamisiert sind, allerdings jahrhundertelangen Kontakt zum Islam haben, finden sich weitere Beispiel für solche „linguistischen Arbeitsteilungen“. Auch in Madagaskar wird „Magie“, d.h. alternative Religiosität oft mit arabischstämmigen Begriffen belegt. So wurden bei der nichtislamisierten, aber beim Rest des Volkes mit dem Islam assoziierten Volksgruppe der Antaimoro bis zur Ankunft der Kolonialherren Amulettschreiber als katibo [vgl. كاتب; katib (arab. Schreiber)] bezeichnet. Ihnen wurde übernatürliche Macht zugesprochen. Diese Amulette wurden in arabischer Sprache geschrieben, welche in Madagaskar als sorabe (lit.: große Schrift) bezeichnet wird.

Schutzamulett (telsem) Amhara ca. 1920

Der Unterricht in einer äthiopischen Klosterschule

Für europäische Besucher mutet ein Besuch in einer äthiopischen Klosterschule wie eine Zeitreise zurück ins Mittelalter an. Zuerst fallen Ansammlungen von Strohhütten an steinernen Umfriedungsmauern bestimmter wichtiger Kirchen oder Klöstern auf. So zum Beispiel am Kloster Kusquam in Gondar/Amhara. Dort stehen etwa dreißig winzige Hütten auf engstem Raum.  Erstaunlich ist hierbei nicht nur die kleine Größe der Hütten im Vergleich zu den an sich schon recht kleinen Strohhütten der äthiopischen Hochlandbauern der Umgebung. Erstaunlich ist auch, daß in solch einer Hütte vier Klösterschüler auf engstem Raum wohnen und schlafen. Die Hütten sind zweietagig, was von außen nicht erkennbar ist.

In Äthiopien ist man Schüler bei bestimmten Lehrern, die sich zeitweise oder immer an bestimmte Klöster binden. Man ist somit nicht Schüler einer bestimmten Schule, sondern des Lehrers und würde ihm bei dessen Weggang folgen. Kommt nun ein neuer Schüler und erhält die Erlaubnis, sich anzuschließen, erkundigt sich der Lehrer über dessen Wissensniveau. Der Lehrer spricht gemeinsam mit dem Neuling ein bestimmtes Mariengebet und weist ihm einen älteren Schüler als Paten zu, dem es obligt, ihm alle Angelegenheiten des Klosterlebens zu  erklären. In den ersten Tagen lernt der Schüler, wie man das Schreibrohr richtig hält. Nachdem er mehrfach gesehen hat, wie man das Schreibrohr schneidet, darf er er schließlich nach zwei Wochen sein eigenes anfertigen. Pergament ist teuer und darf noch lange nicht verwendet werden. Der Schüler bedient sich mit Rippenknochen großer Rinder, die recht flach sind außerdem abwaschbar sind. Später darf er auch die Schneid- und Schababfälle der Pergamentherstellung benutzen, die dann bei Bedarf abgewaschen werden. Nach etwa ein bis zwei Monaten lernt er auch, das Pergament mit einem Stein oder einem Stock zu glätten, den ungeglättetetes Pergament würde zuviel Tinte aufsaugen. Bei allen Arbeiten soll der Schüler dabei dem Lehrer über die Schulter schauen und darf sich nicht an seinen Mitschülern orientieren, um nicht eventuelle Fehler zu übernehmen. Wenn es zuviele Schüler sind, werden Gruppen gebildet, die dann abwechselnd neben dem Lehrer stehen und ihm über die Schulter schauen. Der Lehrer schreibt auf Pergament, was er ohne eine weitere Unterlage auf dem Schoß legt.

Diese Art des Wissenstransferns ist bemerkenswert, denn benachbarte muslimische Kulturen benutzten schon seit Jahrhunderten abwaschbare Schreibbretter. Die lauha wird von Schülern verwendet, um das Schreiben der arabischen Schrift zu lernen. Auch hier gilt es, einem bestimmten didaktischen Prozeß zu folgen. So wird der Schüler zu Beginn keine heiligen Texte schreiben. Vielmehr wird er bedeutungslose Buchstabenkombinationen in arabischer Schrift abschreiben. Nur so ist sichergestellt, daß koranische Texte nicht profanisiert werden. Erst erfahrene Schüler dürften schließlich koranische, heilige Texte selbst schreiben. 

Zum Trocknen aufgehangene Ziegenhäute

Die Rolle des Hautfettes bei der Pergamentherstellung

In den hautnahen Gewebeschichten eingelagertes Fett erforderte von den vormodernen Pergamentmeistern ein umsichtiges Vorgehen. So schwächt bei Schafshäuten das Hautfett die Struktur der Haut, die dadurch leicht rissig wird. Bei unvorsichtigem Vorgehen entstehen an diesen Stellen schnell Risse, die dann genäht werden müssen. In abgeschwächter Form tritt dieses Phänomen auch bei fetter Ziegenhaut auf, obwohl diese wesentlich stabiler als Schafshaut ist. Fettige Häute dürfen deswegen nur bei gemäßigten Temperaturen verarbeitet werden. In Afrika, wo solche Temperaturen nur selten vorherrschen, sollten solche Häute nur in den kühlen Stunden des Tages und dann auch nur im Schatten verarbeitet werden. In der Sonne würde das Hautfett schmelzen und in die Haut eindringen. Dies ist vor allem in den besonders fettreichen Halspartien der Fall. Durch schmelzendes Hautfett würde die opake bzw. undurchsichtige Pergamentoberfläche durchsichtig und spiegelnd werden, was seinen Gebrauchswert für die Schreiber senkt. In die inneren Hautschichten eingedrungenes Fett läßt sich auch nicht durch einfaches Entfetten wieder entfernen. Zur Bearbeitung muß solche Haut mehrfach abgeschabt und gewaschen werden. Hierfür verwendete man beispielsweise in Äthiopien die an Seifenstoffen reichen Früchte der Indod-Pflanze. Hierbei handelt es sich um ein Nachtschattengewächs (Phytolacca dodecandra). Die Früchte finden auch traditionell als Seifenersatz Anwendung. Zerstoßen und getrunken wurde die Indod-Frucht übrigens auch als Medizin für traditionelle Abtreibungen verwendet.

Mönch beim Aufspannen der Häute

Die Werkzeuge der äthiopischen Pergamentmacher

Während im mittelalterlichen Europa die Pergamentmacher hauptsächlich auf das „Mondeisen“ oder Lunellum – einem halbmondförmigen Messer – vertrauten, verwendet man in Äthiopien vor allem das mäqad (መቃድ), was wörtlich soviel wie Sichel bedeutet. Zwar sieht es wie eine Sichel aus, allerdings ist die sichelförmige Klinge an der äußeren Seite des Werkzeuges. Im Vergleich zu anderen äthiopischen Messern – die im Bereich des Amhara-Kulturkreises ebenfalls gebogen sind – besitzt es keine Spitze, was nur unnötig die Haut zerlöchern würde. Mit dem mäqad wird das oft fettreiche Unterhautgewebe von der Fleischseite getrennt. Um Fleischreste zu entfernen wird es mit einem Winkel von 30 Grad zur Hautoberfläche gehalten.

Das zweitwichtigste Werkzeug ist die mäfakiya (መፋኪያ) oder Pergamentmacheraxt. Hierbei handelt es sich um eine abgewandelte Form einer Zimmermannsaxt. Ein ähnliches Werkzeug wird auch in Südäthiopien zur Bodenbearbeitung verwendet. Sie dient dazu, die Haare, die Epidermis und die gekörnten Hautschichten zu entfernen. Die mäfakiya wird im Winkel von 90 Grad zur Haut gehalten.

Eine Art Bimsstein [aynama dingay (Augenstein) አይናማ ድንጋይ] wird verwendet, um das Pergament nach dem Abkratzen zu glätten.  Vulkanisch aufgeschäumten Steine – zu denen Bimsstein gehört – finden sich zwar an vielen Stellen dieses vulkanisch geprägten Landes, jedoch kannten die äthiopischen Pergamentmacher bis zu Beginn der Moderne lediglich zwei Stellen in den amharisch-sprechenden Provinzen Godjam (in einem Ort namens Gundja) und in Wollo (in Metschet). Der Bimsstein diente dazu, gemahlener Kalkstein oder Marmor auf der Haut zu verreiben. Dies war vor allem bei dicker Haut und fettigen Stellen notwendig.

Metrebiya verschiedener Größen

Hautschäden bei der afrikanischen Pergamentherstellung

Auf den fertigen Pergamenten lassen sich bisweilen dunkle, bräunlich-schwärzliche Flecken ohne klar markierten Rand erkennen. Hierbei handelt es sich um Blutergüsse – blaue Flecken – auf der Haut des Tieres und stehm im Zusammenhang mit den Praktiken der traditionellen Tierhaltung. Die Schafs- und Ziegenherden auszutreiben und zum Sonnenuntergang wieder in die Dörfer zu führen, ist Arbeit der kleinen Jungen und oft auch Mädchen. Meist ist es die Arbeit von vier bis sieben Kinder gemischten Alters zwischen sechs und vierzehn Jahren, die auf eine Herde von etwa 20-40 Tieren aufpassen. Hütehunde sind unbekannt; vielmehr werden in dieser steinreichen Gegend, bei Bedarf Steine aufgesammelt und mit gezielten Würfen zum Führen der Tiere eingesetzt. Die so oft entstehenden blauen Flecke bleiben bis nach dem Schlachten in der Haut erhalten.

Das Bergland von Nordäthiopien gehört zu den unterentwickeltsten Gebieten Äthiopiens – ein Land, was selbst bis vor sehr wenigen Jahren regelmäßig zu den zehn ärmsten Ländern der Welt gerechnet wurde. Hier ist nicht nur die moderne medizinische Versorgung der Menschen, sondern auch die veterinärmedizinische Versorgung eine große Seltenheit. Auch entspricht das Verhältnis zwischen Tier und Mensch eher althergebrachten Interaktionsmustern. Solche Traditionen zeigen sich auch bei der Pergamentherstellung. Interessant ist in diesem Zusammenhang, daß diese Hirtentradition auch von den westarabischen Hirten praktiziert wurde. In Andalusien kann man heute teilweise noch die hierzu verwendeten Stein-schleudern im touristischen Kontext erwerben.

In einem Kontext, in der selbst Großvieh wie Rinder selten veterinärmedizinisch versorgt werden, fallen aus Perspektive der Viehhalter Zecken und anderes in der Haut lebende Ungeziefer nicht ins Gewicht. Für den Pergamentmacher stellen diese, bei der Auswahl der Haut schwer zu erkennenden Ungezieferbisse ein Problem dar. Diese Bisse werden in Äthiopien als ainebar bezeichnet. So ist die Haut an diesen ainebar-Stellen dünner und vor allem brüchiger. Beim Abschaben der Haut reißt die Haut an diesen Stellen, und das Pergament muß genäht werden.

Bisweilen sind die äthiopischen Pergamentmacher mit dunklen Schattierungen auf dem Pergament konfrontiert. Diese entstehen durch unsachgemäße Lagerung der Häute. Hat nach der Schlachtung der Bauer nicht sofort vor, zum Markt zu gehen, um die frische Haut zu verkaufen, so trocknet er sie in der Sonne und lagert sie – geschützt vor Mäusen, Katzen und Hunden – im Giebelbereich seiner Strohhütte. Durch das Kochfeuer fängt die Haut Ruß, der dann auch beim Pergamentmachen in der Haut verbleibt.

Stirbt ein Tier vor der Schlachtung von einer Krankheit oder aus einem anderen Grund, kann es sein, daß das nach unten sackende Blut in den Hautäderchen gerinnt und als Gitternetz schwarzer Linien zu sehen ist. Diese besondere Eigenschaft ist bei Pergamentmachern sehr gefragt. In Äthiopien wird ein solches Tier yemote be-feqad bezeichnet. Sein Fleisch darf aus rituellen Gründen nicht gegessen werden, allerdings dürfen die Häute verkauft werden. Das weiße Hautfett färbt sich bei solchen Häuten dunkelbraun. Die eingeweichte Haut läßt keine Haare und reißt auch beim Abkratzen leichter als sonst.

Getrocknete Häute auf dem Weg zum Markt

Die Vorarbeiten der Pergamentherstellung

Die afrikanischen Pergamentmacher wussten sehr genau, daß die Grundlagen der Pergamentherstellung bereits zu Lebzeiten des Tieres gelegt wurden. So war ihnen klar, daß gutes Pergament nur entsteht, wenn die Tiere vor dem Schlachten nicht geschlagen wurden. Die infolge dieser Schläge entstandenen Blutergüsse waren als dunkle Flecken auf dem Pergament sichtbar. Auch beim Abziehen der Haut sollte man auf Sauberkeit achten. Es sollten keine Schnitte in die Haut kommen, da diese sich beim Spannen zu größeren Löchern erweitern würden. Die Häute sollten nach dem Schlachten nicht, wie sonst beim Verkauf üblich, getrockten werden, denn die Pergamentherstellung aus getrockneten Häuten ergibt keine so hochwertigen Pergamente, wie die Verarbeitung frischer Häute. In Säcke eingepackt, sollten die Häute schließlich drei bis fünf Tage schwitzen gelassen werden. Lösen sich die Haare von der Haut, so kann die weitere Verarbeitung beginnen. Auf keinem Fall sollten die Häute länger als sieben Tage schwitzen, da sich sonst die Hautstruktur auflöst und großflächige Löcher entstehen würden. Stockflecke kann man durch Zusatz von gemahlenem Salz verhindern.

Zu den christlichen Hochfesten wie Ostern und die Taufe Jesu (timkat) wird viel geschlachtet. Danach stehen dem äthiopischen Pergamentmacher größere Mengen preiswerter Häute zur Verfügung. Zu solchen Gelegenheiten kauften sie 20-30 Häute, spannten die frischen Häute auf acht bis zehn Spannrahmen, schabten die Fleischreste ab und ließen die Häute dann trocknen. Die getrockneten Häute verschmürte man und hing sie in den Dachgiebel der afrikanischen Rundhütte, bis sie weiterverarbeitet werden konnten. Hier waren sie hinreichend vor Staub und Mäusefraß geschützt. Die frischen Häute wurden ungesalzen mit Laub und Bodenmatten aus Kuhhaut abgedeckt und so vor dem Austrocknen bewahrt. So konnten sie bis zu drei Tagen gelagert werden.

Die getrockneten Häute wurden vor der weiteren Verarbeitung einen halben Tag eingeweicht und schließlich in einem Tongefäß oder dem Scherben einem großen Tonkrug für bis zu fünf Tage eingeweicht. Ein großer Stein auf den Häuten verhinderte, daß sie von Mäusen, Katzen und Hunden angenagt oder weggeschleppt werden. Wenn das Wasser zu sehr stinkt, muß es ausgewechselt werden. Aufgrund des Gestankes wurden die Häute bisweilen in Wasserläufe gelegt. Als Schutz vor Hyänen legte man sie an eine tiefe Stelle und beschwerte sie mit einem Stein. An solchen Stellen wurden sie jedoch bisweilen von Fischen, Krebsen o.ä. angefressen. Auch könnte Starkregen die Häute wegschwemmen. 

Schneiden der Löcher zum Aufspannen der Haut

Die Tinten und Farben der afrikanischen Kirchenschreiber

Bunte Tinten und Farben: Die traditionellen Schreiber stellen heute noch verschiedenfarbige Tuschen und Farben aus mineralischen und pflanzlichen Pigmenten her. Das Pigment zur Herstellung schwarzer Tusche wird nach einem in Kirchenkreisen verbreiteten Rezept durch Karbonisieren von Getreide gewonnen. Daneben wird reichlich rote Tusche benötigt. Am Horn von Afrika ist es religionsübergreifend üblich, besonders heilige Namen mit einer andersfarbigen Tinte zu schreiben. Während der Fließtext schwarz ist, wird als Kontrast gewöhnlich rote Tinte verwendet. Beispiele hierfür finden sich sowohl in der in Harar konzentrierten islamischen Buchkunst als auch in der gesamten christlichen Pergamentliteratur. Meist sind es die Namen Gottes, Jesus, Maria, der Erzengel wie auch markante, religiöse Formeln wie „Im Namen des Vaters…“. Für die farbigen Illustrationen stellten die Schreiber aus fein gemahlenen, mineralischen Stoffen, Pigmente her, die mit gummiartigen Substanzen zu Farben gebunden wurden.

Rote Tinte: Die äthiopischen Mönche kennen heute noch vier Rezepturen zur Herstellung roter Tinte, wobei die Pigmente hierfür sowohl pflanzlichen als auch mineralischen Ursprungs sind. Rote Pflanzenfarbstoffe finden sich unter anderem in einem namenlosen Grasgewächs, was von den Kindern idj admeq ("was die Hand glänzend macht") genannt wird, denn dort, wo es wächst, reiben sich die kleinen Kinder die Hände damit ein, die dann ganz rotglänzend werden. Anderenorts gibt es eine Pflanze, die djib shinkurt („Hyänenzwiebel“) genannt wird. Aus dem Saft der rotglänzenden Blüten gewinnt man ein sehr leuchtend-rotes Pigment. Wie im gesamten Nahen Osten ist Krappwurzel die Grundlage für viele Rezepte. Von den etwa 60 Arten dieser Pflanzenfamilie findet sich in Äthiopien das incheber (እንጭብር, Rubia discolor). Nach einem der vier Rezepte werden die Krappwurzeln ausgegraben und zerrieben. Hinzu füht man Rosenblütenmehl und läßt die Substanzen in etwas Salzwasser kochen. Nach einem drei- bis vierwöchigem Fermentationsprozeß gewinnt man ein jahrelang verwendbares Pigment. Das Bindemittel hierfür dient mutscha (ሙጫ). Dieses Wort wird heute ganz allgemein gebraucht, um Klebstoff zu bezeichnen. Vermutlich ist hierbei Gummi Arabicum, der Pflanzengummi einer in der Sahelzone verbreiteten Akazienart (Acacia seyal) gemeint. Als Lösungsmittel wird tropfenweise Knoblauchwasser verwendet. Das Pigment wird in den hohlen Hörnern von Ziegen oder Gazellen aufbewahrt, die mit einem Stück Leder oder Rohhaut verschlossen werden. 

Goldfarbe: Im Mittelalter wurde auch Goldfarbe hergestellt, allerdings sind den heutigen Schreibern die Rezepturen nicht mehr bekannt. Mündliche Überlieferungen berichten lediglich, daß man das Metall geschmolzen hat, daß zur Herstellung ein bestimmter weißer Stein vonnöten war und eine bestimmte Flüssigkeit verwendet wurde – mehr nicht. Dies ist recht verwunderlich, denn in Europa entstand Goldpigment als Nebenprodukt bei der Blattgoldherstellung. Der Goldstaub mußte hierzu „lediglich“ mit einem Bindemittel gebunden werden. In der äthiopischen Kirchenliteratur finden sich zahlreiche Beispiele für den Gebrauch von Goldtinte. So befindet sich in der Klosterbibliothek von Gishen Mariam 50 km nördlich von Dessie in Wollo (Amhara) ein aus dem 14.-15. Jahrhundert stammendes Buch Te´amer Mariam (Marienwunder). Es wurde vom Kaiser Aze Dawid (1382-1414) in Auftrag gegeben. In diesem Werk wurden die Namen Marias durchgängig mit Goldtinte geschrieben.

Evangeliar aus Äthiopien um 1750

Die Schreibgefäße der äthiopischen Pergamentschreiber

Bis ins äthiopische Mittelalter finden sich Belege, wonach sich die Tinte der Schreiber in Steinvertiefungen befand. So finden sich in einigen alten Klöstern solche Steine. Die Nachteile bei starker Verdunstung sowie bei Regen liegen auf der Hand. Auch der Transport eines solchen "Tintenfasses" dürfte einige Schwierigkeiten bereitet haben. Frühzeitig wurden jedoch auch transportable Tintengefäße verwendet. Auf der Suche nach geeigneten Naturmaterialien erwiesen sich die Tierhörner - vor allem solche von Gazellen, Antilopen oder Hausziegen als äußerst praktisch. Die frisch geschlachteten Tierköpfe wurden einige Tage unter einer Stoff- oder Lederabdeckung schwitzen gelassen, bis sich das Horn vom Schädelknochen ablösen ließ. Danach wurde es in siedendes Wasser gelegt, worauf das Hornmaterial weich und biegsam wird. Danach wurde es unter Druck getrocknet, um ein gerades Horn zu bekommen. Die Außenseite wurde abgeschabt, während die Innenseite meist unbehandelt blieb. Hätte man es abgeschabt, wo wäre die glatte Oberfläche rauh geworden und hätte die darin gelagerte Tinte absorbiert. Ein Stück Pergament oder Leder über das Horn gespannt, diente als Verschluß. Die Hörner von Ziegen und einigen Antilopenarten sind im Spitzenbereich nicht hohl, sondern aus Vollhorn. An dieser Stelle wurde außen ein Stoff- oder Metallring befestigt. Bis zu diesem Ring steckte der es der Schreiber in die Erde. So steckte das Tintenhorn fest, und der Schreiber konnte den Füllstand des Hornes besser einschätzen. Diese Spitze hatte allerdings den Nachteil, daß sich die Tinte schlecht aufrühren ließ, sobald sich feste Tintenbestandteile absetzten. Manchmal wurde das Tintenhorn porös, was die Mönche durch eine Salbe aus Hautfett wieder abdichten konnten. Hierbei war jedoch Sorgfalt geboten. Beim Auswaschen des Tintenhornes konnte sich das Fett mit der Tinte vermischen, wodurch letztere ihren Charakter veränderte. Die Mönche wußten sich jedoch auch hier zu helfen. So verwendete man traditionelle Seife - Pflanzenasche oder die an Seifenstoffen (Saponine) reichen Früchte der indod-Pflanze (Phytolacca dodecandra).  

Mönch mit Fliegenwedel

Die Schreibgefäße der äthiopischen Pergamentschreiber

Bis ins äthiopische Mittelalter finden sich Belege, wonach sich die Tinte der Schreiber in Steinvertiefungen befand. So finden sich in einigen alten Klöstern solche Steine. Die Nachteile bei starker Verdunstung sowie bei Regen liegen auf der Hand. Auch der Transport eines solchen "Tintenfasses" dürfte einige Schwierigkeiten bereitet haben. Frühzeitig wurden jedoch auch transportable Tintengefäße verwendet. Auf der Suche nach geeigneten Naturmaterialien erwiesen sich die Tierhörner - vor allem solche von Gazellen, Antilopen oder Hausziegen als äußerst praktisch. Die frisch geschlachteten Tierköpfe wurden einige Tage unter einer Stoff- oder Lederabdeckung schwitzen gelassen, bis sich das Horn vom Schädelknochen ablösen ließ. Danach wurde es in siedendes Wasser gelegt, worauf das Hornmaterial weich und biegsam wird. Danach wurde es unter Druck getrocknet, um ein gerades Horn zu bekommen. Die Außenseite wurde abgeschabt, während die Innenseite meist unbehandelt blieb. Hätte man es abgeschabt, wo wäre die glatte Oberfläche rauh geworden und hätte die darin gelagerte Tinte absorbiert. Ein Stück Pergament oder Leder über das Horn gespannt, diente als Verschluß. Die Hörner von Ziegen und einigen Antilopenarten sind im Spitzenbereich nicht hohl, sondern aus Vollhorn. An dieser Stelle wurde außen ein Stoff- oder Metallring befestigt. Bis zu diesem Ring steckte der es der Schreiber in die Erde. So steckte das Tintenhorn fest, und der Schreiber konnte den Füllstand des Hornes besser einschätzen. Diese Spitze hatte allerdings den Nachteil, daß sich die Tinte schlecht aufrühren ließ, sobald sich feste Tintenbestandteile absetzten. Manchmal wurde das Tintenhorn porös, was die Mönche durch eine Salbe aus Hautfett wieder abdichten konnten. Hierbei war jedoch Sorgfalt geboten. Beim Auswaschen des Tintenhornes konnte sich das Fett mit der Tinte vermischen, wodurch letztere ihren Charakter veränderte. Die Mönche wußten sich jedoch auch hier zu helfen. So verwendete man traditionelle Seife - Pflanzenasche oder die an Seifenstoffen (Saponine) reichen Früchte der indod-Pflanze (Phytolacca dodecandra).  

Mönch mit Fliegenwedel