- Pergament leimen - wie wird´s gemacht?
- Pergament als lebendiges Material des Buchbinders
- Pergament und unterschiedliche Klebstoffsorten
- Bedrucken von Pergament mit Tintenstrahldruckern und Laserdruckern
- Sonderformen: Äderchen - Jungfern
- Pergament ist wasseranziehend
- Industrielle Pergamentherstellung
- Die Gesundheit der Tiere und die Qualität des Pergamentes
- Eigenschaften Pergament verschiedener Tierarten im Vergleich und deren Verwendung
- Heutige Pergamentforschung
- Pergament: Krankheiten und Heilung - Wasserschäden
Pergament leimen - wie wird´s gemacht?
Mit etwas Übung läßt sich Pergament so leicht wie Papier verarbeiten. Die alten Meister verwendeten hierfür traditionell Hautleim. Für den interessierten, aber wenig geübten Laien ist dies jedoch schwierig. Da es sich um Heißleim handelt, muß man zu sehr auf die richtige Temperatur achten, und nicht immer kann man mit dem Ergebnis zufrieden sein. Viel leichter lassen sich käufliche Buchbinderleime verarbeiten. So zum Beispiel ein Dispersionskleber mit dem Markennamen Planatol, wie er in Deutschland u.a. vom Künstler-großhandel Boesner angeboten wird.
Ich habe mit diesem Kleber gute Erfahrungen gemacht. Wichtig ist es auf jedem Fall, das Pergament kurz vor dem Verkleben zu entfetten. Dies sollte auch geschehen, selbst wenn es bereits entfettet worden sein sollte. Am gründlichsten gelingt dies mit Azeton (im Baumarkt erhältlich). Wer mildere Lösungsmittel bevorzugt, kann auch Brennspiritus verwenden (aus dem Supermarkt oder der Drogerie), was ähnlich gute Ergebnisse erzielt. Wichtig ist, nach dem Entfetten nicht zuviel Zeit verstreichen zu lassen, denn Pergament enthält im Hautinneren Fett, was auch nach dem Entfetten wieder an die Oberfläche diffundiert. Schwer verarbeiten lassen sich auch Pergamente, bei denen die Haare der Haarseite nicht vollständig entfernt wurden.
Nach dem Entfetten muß die Oberfläche mit einem recht feinem Sandpapier (etwa 100er Korn oder feiner) aufgerauht werden. Dies muß vorsichtig geschehen. Am Besten ist es, zweimal mit leichter Kraft in einer Richtung aufzurauen. Schleift man nicht parallel, so erscheint die geschliffene Fläche von der glatten Seite aus gegen das Licht betrachtet wie zerkratzt. Gerade beim Verarbeiten von sehr dünnen Pergamenten (dünner als etwa 0,25mm) ist dies von Bedeutung.
Trotz dieser Einschränkungen sollte weder das Entfetten noch das Schleifen vernachlässigt werden, da das Pergament sonst nicht richtig klebt. In diesem Fall würden sich, wenn man die beklebte Fläche ins Freie oder in einen Raum mit feuchterer Luft legt, Bläschen bilden. Im ungünstigsten Fall löst sich die ganze Pergamentfläche von der Unterlage.
Die Klebflächen sollten beidseitig gleichmäßig und nicht zu dick bestrichen werden. Zuviel Kleber kann sich beim Anreiben des Pergamentes sammeln und leichte Erhebungen bilden. Diese Buckel verschwinden dann auch nach dem Trocknen des Klebers nicht vollständig. Das Verarbeiten sollte recht zügig geschehen, denn die Feuchtigkeit des Klebers läßt das Pergament ausdehnen. Ein solcherart ausgedehntes Pergament klebt sich schlecht. Dies ist hauptsächlich bei dünneren Pergamenten (dünner als 0,25mm) der Fall. Beim Pressen wirft es entweder Falten, die oft nach dem Pressen noch zu sehen sind, oder die ausgedehnten Stellen kleben nicht an der Unterlage und machen sich später als Bläschen bemerkbar. Um diese Blasenbildung zu verhindern, kann man mit einem Bügeleisen (mittlere Stufe) über das Pergament bügeln. Wird Pergament leicht erhitzt, zieht es sich zusammen und schmiegt sich an die Unterlage an. Nur darf es nicht zu heiß werden, denn sonst schrumpelt das Material zusammen.
Pergament übt auf die Klebunterlage eine ganz erhebliche Zugkraft aus. Eine einseitig beklebte Pappe wird sich aus diesem Grund verbiegen. Um dies zu verhindern, muß die Pappe beidseitig mit Pergament beklebt werden. Am besten, man nimmt für die Unterseite das gleiche Pergament, wie für die Oberseite. Grunsätzlich können auch verschiedene Stücke verwendet werden, jedoch sollte man darauf achten, daß das Pergament etwa die gleiche Stärke hat. Ein Unterschied bis zu 0,05mm ist tolerierbar. Größere Unterschiede führen dazu, daß die beklebte Pappe nicht flach liegt, da dickeres Pergament eine höhere Zugkraft ausübt als dünneres Pergament. Wenn man dies beherzigt, kann man auch mit dünnen Pappen von etwa 1mm Stärke gute Ergebnisse erzielen. Grundsätzlich sollte man jedoch für die Verarbeitung von dünneren Pappen dünneres Pergament von etwa 0,10-0,25mm Dicke verwenden. Wenn die Pappen beidseitig beklebt werden und in der Presse sind, kann man nach etwa einer Minute die Presse wieder öffnen und eventuelle Bläschen wie oben beschrieben mit dem warmen Bügeleisen beseitigen. Man sollte nicht viel länger warten, da sich die Bläschen vergrößern und dann anfangen können, Falten zu werfen, die sich nur schwer wieder glattbügeln lassen.
Trotz aller Sorgfalt wird ein Pergamenteinband noch lange "arbeiten". Am deutlichsten ist dies sichtbar, wenn ein Wetterumschwung feuchte Luft bringt, bzw. das Pergamentbuch in der prallen Sonne liegt. In diesem Fall wird sich der Einband nach innen oder außen wölben. Wenn das Buch unter Spannung getrocknet wurde, wird diese Wölbung nur schwer rückgängig zu machen sein. Auf jeden Fall sollte man es versuchen und ein solcherart verbogenes Buch beschweren.
Pergament als lebendiges Material des Buchbinders
Ganz im Gegensatz zu Leder, Leinen oder Papier ist Pergament ein sehr lebendiges Material, was im verarbeiteten Zustand erst mit einer gewissen Reife zur Ruhe kommt. Ganz leblos wird es jedoch nie. Gemeint hiermit ist die Eigenschaft des Materials, auf Veränderungen der Temperatur, der Luftfeuchtigkeit und vor allem auf direkte Sonneneinstrahlung zu reagieren und zu arbeiten. Würde man beispielsweise ein frisch gebundenes Pergamentbuch in die Sonne legen, so würde sich die beschienene Fläche durch die Hitze zusammenziehen und der Buchdeckel würde sich nach Innen biegen. Gleichermaßen würde ein frisch aus der Presse genommenes Buch in einem etwas feuchterem Raum – und sei es die Küche – Feuchtigkeit aufnehmen, das Pergament samt Buchdeckel würde sich gleichsam nach Innen biegen. Solche Verbiegungen sind nur sehr schwer durch erneutes Pressen zu beseitigen. Die unerwünschten Zugkräfte sind umso höher, je frischer das Buch ist, denn es enthält vom Kleben noch Restfeuchte. Nach meinen Erfahrungen sollte ein frisch gebundenes Buch noch mindestens zwei Wochen unter Druck gelagert werden. Einige Bücher zum Beschweren reichen da vollkommen. Ein gut ausgehärtetes Buch hingegen wird sich beim Wechsel der Luftfeuchtigkeit nicht so schnell verbiegen und ist lediglich gegen direkte Sonneneinstrahlung im Sommer empfindlich.
Pergament und unterschiedliche Klebstoffsorten
Traditionell wurde Pergament mit einem ganz urtümlichen Material verklebt. Hierbei handelt es sich um einen Hautleim, der aus der Schwimmblase des Hausen – eines Fisches gewonnen wird. Das ist auch das Material, was Puristen heute noch bevorzugen würden. Oder sie würden gesammelte Pergamentabfälle zu Heißleim verkochen, denn Pergament besteht fast vollständig aus Collagen – den Klebstoff des Heißleims. Meine Erfahrungen mit Hautleim waren nicht immer von Erfolg gekrönt. Der heiße Leim klebt nur in einem ganz bestimmten Temperaturbereich, und wird er zu kalt, klebt er nicht mehr. Ein weiterer Nachteil ist, daß der Leim mit der Zeit brüchig wird. Meine besten Erfahrungen habe ich beim Kleben mit handelsüblichen Buchbindeleimen gemacht. Planatol von Boesner - einem in Deutsch-land aktiven Künstlerbedarfsausstatter - war der Leim meiner Wahl. Auch hier gilt es jedoch einiges zu beachten. So klebt Planatol nach etwa 10 Minuten zwar noch Papier und Leinen, aber seine Kraft reicht nicht mehr für Pergament. Dies ist wichtig, wenn sich im Pergament durch die natürliche Ausdehnung des Materials Blasen bilden. Um diese durch Hitze oder Druck wieder an die Unterlage zu pressen, hat man dieses Zeitfenster von 10 Minuten. Danach wird man mit dieser Blase leben müssen, denn der Leim im Inneren der Blase ist angetrocknet. Wichtig beim Verarbeiten ist ein gründliches Entfetten und Aufrauen des Pergamentes.
Bedrucken von Pergament mit Tintenstrahl- und Laserdruckern
Man kann Pergament durchaus mit Tintenstrahldruckern bedrucken, wobei man hier einiges beachten sollte. So darf man nicht vergessen, das Pergament vorher beidseitig zu entfetten. Auch sollte es möglichst plan liegen. Hat man die Pergamenthaut als Rolle gelagert, sollte sie solange in die entgegengesetzte Richtung gebogen und gerollt werden, bis es eben aufliegt. Die Spannungen im Pergament lassen sich auch beseitigen, wenn man es mit Brennspiritus abreibt. Bedruckt man die Häute dann im "bügelfeuchten" Zustand, erhält man sogar ein besseres Ergebnis als bei vollkommen trockenen Häuten. Wichtig ist nur unbedingt zu vermeiden, daß die Haut mit Wasser in Berührung kommt. Aus diesem Grund eignet sich auch kein Schnaps o.ö.
Allerdings läßt sich Pergament auch noch mit leichten Krümmungen bedrucken. Am leichtesten geht es mit mitteldicken Pergamenten von 0,2-0,3mm Dicke. Dickeres Pergament bereitet Schwierigkeiten im Druckereinzug, und wird teilweise gar nicht eingezogen. Schwierig zu handhaben sind auch Fehlstellen des Pergamentes wie Nähte und Unebenheiten. Ein Druck auf solchem Pergament sollte man versuchen, zu vermeiden. Die Gefahr, daß die Tinte dort verschmiert, ist groß.
Da Pergament nicht so saugfähig wie Papier ist, muß man auch allgemein darauf achten, die Tinte nach dem Druck nicht zu verschmieren. Bisweilen muß man das Pergament auch bei der Blattausgabe führen, um ein Berühren der noch feuchten Tinte mit Geräteteilen des Druckers zu verhindern. Nach dem Trocknen der Tinte ist das Pergament genau wie Papier fest bedruckt.
Andern verhält es sich mit Laserdruckern. Grundsätzlich lassen sich Pergamente der angegebenen Dicke von 0,2-0,3mm auch mit dem Laserdrucker bedrucken. Nur wird das Pigmentpulver auf dem Pergament nicht fixiert. Zwar hat man nach dem Druck ein schönes Bild, nur läßt es sich relativ leicht verwischen. Ich habe hierfür noch keine brauchbare Lösung gefunden. Besprüht man das Bild mit Haarlack, so ist es zwar fixiert und läßt sich nicht mehr verwischen, jedoch fängt die Oberfläche an zu glänzen und verändert so ihren ursprünglichen Pergamentcharakter. Bereitet allerdings eine glänzende Oberfläche kein Kopfzerbrechen, so kann man auch Hartöl verwenden, welches normalerweise zum Imprägnieren von Holz verwendet wird.
Sonderformen: Äderchen und Jungfernpergament
antikes Pergament: Eine Besonderheit stellt das als antik bezeichnete Pergament dar. In diesem sind die Blutbahnen sichtbar. Diese entstehen bei natürlich verendeten Tieren, vor allem auf der Seite, wo das Tier gelegen hat. Das Blut kann hier nicht wie bei geschlachteten Tieren abfließen. Es bleibt in den Adern und gerinnt dort. Das geronnene Blut erzeugt die feinverästelte, meist dunkelfarbige Äderung auf dem Pergament, die ihm den wundervollen Reiz gibt. Zusätzlich reagiert das Eisen des Blutes bei der Pergamentherstellung mit dem Ätzkalk und erzeugt ein dauerhaftes Farbenspiel.
durchsichtiges Pergament: Seit dem Mittelalter gibt es Methoden, durchsichtiges Pergament herzustellen. Man nimmt hierzu sehr dünnes Pergament von einem Jungtier, welches dann so dünn wie möglich gekratzt wird. Danach wird das Pergament in einer Lösung aus verdorbenem Weißei oder in einer wässrigen Lösung aus Gummi Arabicum und Fischleim oder einem Pergamentleim eingeweicht. Nach einer solchen Behandlung wird das feuchte Pergament ausgebreitet und mit der präparierten Lösung eingerieben. Dadurch wird das Pergament durchsichtig. In einem anderen Rezept aus dem 15. Jahrhundert wird die abgeschabte Haut ohne sie zu spannen mit Leinöl eingerieben. Hintergrund der Durchsichtigkeit ist das Trocknen der Haut ohne sie aufzuspannen. Dies zeigt sich in einem Rezept aus dem England des 18. Jahrhundert, wo gewöhnliches Pergament in eine Potaschelösung gelegt und dann zwischen zwei Brettern getrocknet wurde. Durchsichtiges Pergament wurde in den klösterlichen Schreib-werkstätten verwendet, um bei Illustrationsarbeiten zu helfen. Es wurde auch in primitiven Lupen und als Ersatz für Fensterglass verwendet.
Jungfernpergament: Das Jungfernpergament wurde im Mittelalter aus der Haut von Schafs- und Ziegenfoeten hergestellt. Die Hautstruktur und Hautfestigkeit ist hierbei voll ausgebildet. Allerdings ist es sehr fein und zart. Es setzte den Standart für hohe Pergamentqualität. Später bevorzugte man allerdings Kälber, da erstgenanntere zu klein sind.
Goldschlägerpergament: Dieses Spezialpergament wird aus dem Blinddarm der Kälber hergestellt. Es ist dünn, widerstandsfähig und es kann gespannt werden, ohne zu zerreißen. Goldschläger nutzten es, um einzelne Goldblättchen zu trennen, wenn sie einen zu hämmernden Block von Blattgold bearbeiten.
Pergament ist wasseranziehend
Zahlreiche mechanische und chemische Prozesse laufen bei der Pergamentherstellung ab. So verändert sich beispielsweise die innere Struktur der bearbeiteten Häute. Nach dem Ätzkalkbad sowie dem mechanischen Abschaben besteht die Haut fast vollständig aus Collagen – einem natürlichen Leimstoff, der sich in kaltem Wasser nicht löst. Würde man Pergament jedoch kochen, so entstünde ein flüssiger Hautkleber. Zur Pergamentherstellung wird das Collagengewebe der Haut mechanisch verändert. Es entstehen neue Parallelstrukturen, deren Molekülketten durch den Hautkleber fest aneinandergeklebt werden. So entsteht eine durchscheinende, feste Oberfläche.
Diese Veränderungen der Hautstruktur lassen neue Eigenschaften entstehen. So ist Pergament grundsätzlich wasseranziehend. Dies macht es in der Fläche instabil. Es weitet sich und schrumpft je nach Sonnenbestrahlung und Luftfeuchtigkeit. Dies führt zu einem natürlichen Wellen des Materials. Ein unbehandeltes Pergament hat eine Restfeuchte von 10%. Bei 70-80% Luftfeuchtigkeit erhöht sich dieser Anteil auf 25%, wobei sich der Prozess der Wasseraufnahme über zwei bis fünf Tage hinzieht. Taucht man es in Wasser, dann würde es innerhalb kürzester Zeit weich werden und eher einer unbehandelten Rohhaut ähneln. Andererseits läßt eine längere Lagerung bei unter 40% Luftfeuchtigkeit das Pergament austrocknen. Da Pergament wasseranziehend ist, dauert dies mehrere Monate, oder sogar Jahre. Wird Pergament längere Zeit unter diesen Bedingungen gelagert, verliert es seine Biegsamkeit, und schließlich bilden sich Oberflächenrisse, wodurch dann die Tinte bzw. Farbe aufreißt. Um die Wasserabgabe zu verhindert, verwendeten Wüsten bewohnende Völker häufig wasseranziehende Substanzen wie Gummi Arabicum, Honig, Hautleim oder Eiweiß.
Die mittelalterlichen Schreiber wußten um diese Dynamiken. Wurde das Pergament zu trocken, brachten sie es an einen feuchteren Ort, um es wieder beschreibfähig zu machen. Optimale Bedingungen waren bei konstanter Luftfeuchte nicht unter 40% und bei einer Raumtemperatur um 20°C gegeben. Diese Erfahrungen prägen auch das Handeln der Konservatoren im Museumsbetrieb. In Museen sollte Kalbspergament bei einer konstanten Temperatur von idealerweise 20 Grad und einer Luftfeuchtigkeit von 25-35% gelagert werden. Bei einer Lagerung bei weniger als 11% Luftfeuchte wird es brüchig. Lagert man es bei mehr als 40% Luftfeuchte, wird es anfällig gegenüber Pilzbefall und ist einem Gelatinisierungsprozeß ausgesetzt. Sobald es feucht wird, fängt es an, Stockflecke zu bekommen.
Weiterhin ist Pergament hitzeempfindlich. Zwar kann es fast unbegrenzt Temperaturen von 100 Grad überstehen, jedoch fängt es bei einer Temperatur von 130-150 Grad zu schrumpeln an, was sich nicht wieder rückgängig machen läßt.
Auf der anderen Seite ist Pergament wesentlich beständiger gegenüber aggressiven Tinten und Farben als Papier. Es ist auch nicht so anfällig gegenüber Säure, da es ein aus dem Herstellungsprozess stammendes basisches Reservoir mitbringt.
Industrielle Pergamentherstellung
Die chemo-mechanischen Grundlagen der Pergamentherstellung bleiben auch in der Neuzeit erhalten. Hier hat auch der Einsatz neuer Technologien keine Veränderungen herbeigeführt. Aber selbstverständlich gibt es hier technologische Innovationen. Die Häute werden als „frische Häute” (gesalzen) oder als „getrocknete Häute” eingekauft. Die Ware wird chargenweise zusammengestellt: gleiche Sorte - gleiches Gewicht und maximal 400 Stück pro Fass. Nach gründlichem Spülen und Einweichen erfolgt das Äschern der Häute. Dieses bewirkt, dass sich die Poren öffnen und die Haare ausfallen. Dies geschieht in einem Bad aus Schwefelnatrium und Kalkmilch. Nach ein bis zwei Tagen ist die Haut „haarlässig“. Nach erneutem Abspülen wird die erste Teilpartie aus dem Fass genommen und entfleischt. Der Narben, also die Haarseite ist durch das Äschern sauber geworden. Die Fleischseite wird mit einer Entfleischmaschine bearbeitet und bis auf die Unterhaut abgehobelt. Nun werden die Blößen (Häute) wieder in ein Fass gegeben, gespült, chemisch neutralisiert und nach ihrem Verwendungszweck sortiert. Die Häute werden auch nicht per Hand auf die richtige Dicke heruntergekratzt, sondern im feuchten Zustand durch eine Walze geschoben. Dieser Vorgang wird je nach gewünschter Dicke mehrfach wiederholt.
Häufig wird das Pergament auch gespalten. Gerade bei Schafshäuten ist dies sehr problematisch. Dieses als Zwischenhautpergament bezeichnete Produkt hat eine noch schwächere Hautstruktur als das an sich schon rißanfällige Schafspergamentes, da es durch die Zerstörung der intakten Faserstruktur weiter geschwächt wird. Trotzdem findet es Verwendung in der Restauration von Büchern. Bei diesem Pergament ist die typische Narbenstruktur der Haut nicht weiter erkennbar.
Industriell hergestelltes Pergament wurde in den 1950er Jahren massenhaft zu Lampenschirmen, Möbelbespannungen und in der Innenarchitektur verwendet. Auch in der klassischen Ölfarbenmalerei war es von Bedeutung. Es war der klassischen Handarbeit in seiner Qualität unterlegen, da die Industrieware häufiger ölige Stellen aufwies. Diese machte sich negativ beim Gebrauch als Malgrund bemerkbar, da an diesen Stellen die Ölfarbe eher rissig wurde.
Die Gesundheit der Tiere und die Qualität des Pergamentes
Beim Betrachten eines Pergamentbogens läßt sich sehr viel über die Lebensweise und den Gesundheitszustand der Tiere ablesen. Durch Verwundung der Tierhaut entstehen Narben, die dann auf dem Pergament sichtbar sind. Auch Stiche von Läuse und Wanzen können als Narben auf der Hautoberfläche sichtbar werden, wenn das Tier mit Bissen oder Kratzen reagiert hat. Auch ein schlechter allgemeiner Gesundheitszustand des Tieres läßt sich auf der Haut ablesen. Sind die Tiere beispielsweise schlecht ernährt, spannt die Haut über den Rippen. Diese Stellen sind dann noch als längliche Schatten erkennbar. Für die Herstellung ausgewählter Pergamentbücher in der Antike und im Mittelalter wurden die schlechteren Häute gar nicht erst verwendet, denn beispielsweise beim Blick auf die Pergamentseiten des berühmten Codex Sianiticus findet man nur kleinere Narben in den Randbereichen der Bögen. Es ist auch möglich, daß die Tiere für das Buch besondere Pflege erfuhren. Die Qualität des Pergaments hängt von der Qualität der Häute ab. Ein Pergamentmacher mußte im Schlachthaus genau nach eventuellen Hautschäden Ausschau halten. Narben und Insektenstiche sind genauso sichtbar wie die Qualität und Farbe der Hautwolle. So wird beispielsweise geschecktes Fell zu gescheckt aussehendem Pergament. Und die schwarzen Haarreste von schwarzbehaarten Ziegen sind als dunkler Schatten auf dem fertigen Pergament sichtbar. Auch Alter und Gesundheit des Tieres zum Schlachtzeitpunkt sind wichtig. Sogar der eventuelle Einsatz eines Joches oder Sattels läßt sich als Hornhautverdickung auf dem Pergament ablesen. Jüngere Tiere bringen besseres Pergament. Pergament kann auch von Blutrückständen in den Hautadern seine Farbe verändern, weswegen das Tier nach dem Schlachten gut ausbluten muß.
Eigenschaften Pergament verschiedener Tierarten im Vergleich und deren Verwendung
Jedes Pergament hat seine ganz speziellen Eigenschaften. Kalbspergament beispielsweise ist dünn und gleichzeitig kräftig und somit das traditionelle Material für Buchbindearbeiten und Manuskripte schlechthin. Ziegenpergament hingegen ist etwas preisgünstiger als Kalbspergament. Seine Qualität ist etwas geringer und die Porenstruktur etwas ausgeprägter als beim Kalbspergament. Farbe und Festigkeit schwanken von Fell zu Fell, je nach Lebensweise des Tieres. Im Vergleich dazu ist Schweinspergment beispielsweise als Buchbindematerial kaum zu verwenden. Vielmehr wurden daraus eher Trommel- und Paukenfelle sowie Siebböden zum Körnen von Schießpulver hergestellt. Es wurde ebenso wie Rindspergament früher gerne zur Herstellung von Lampenschirmen, Wandverkleidungen und Tischplatten eingesetzt. Schafspergament ist im Vergleich zu Ziegenpergament sehr schwach und anfälig für Risse. Außerdem weißt die Haut einen sehr unterschiedlichen Fettgehalt auf, was sich beim Verarbeiten als sehr ungünstig erweist. Vorteilhaft ist die Größe der Schafshäute. Sie sind gewöhnlich recht groß und einfach zu verarbeiten, weswegen sie auch für Möbel-bespannungen und Interieursarbeiten verwendet werden.
Ziegenpergament als Material zum Buchbinden gibt es seit Jahrhunderten. Es ist hochdicht und reißfest. Es ist durch seine geringe Stärke von wenigen Blatt Papier sehr flexibel und kann so die Beanspruchungen als Bindematerial aushalten. Weiterhin kann es gefärbt werden. Ziegenpergament wird von einem maßgeblichen Anbieter in der Standarddicke von 0,3mm angeboten. Das Material wurde historisch für die meisten Buchbindearbeiten verwendet. Durch die Variabilität in Bezug auf Hautstruktur, Charakter und Farbe ist es der ideale Grunstoff für Möbelbezugsarbeiten und Interieurapplikationen. Behandelt wird es ein- bzw. beidseitig für Kalligraphen, unbehandelt ist es für Buchbindearbeiten und Möbelbezugsarbeiten und Interieurapplikationen geeignet. Es ist in den Farben natur, weiß und chrème erhältlich.
Die fertigen Pergamente variieren in der Stärke von hauchfeinen 0.1mm starken Restaurierungs- und Schreibpergamenten bis zu 3mm starken Bongo- oder Congafellen für die Musikindustrie. Ein Standartanbieter auf dem deutschen Markt bietet Kalbs-, Hirsch-, Ziegen und Schafspergament an. Es ist in den drei Dicken dick (unter 0,25mm), mittel (0,25-0,45mm) und stark (dicker als 0.45mm) erhältlich. Für die Herstellung von Trommelfellen verwendet man Häute von 0,5 bis 0,6mm Stärke.
Heutige Pergamentforschung
Zahlreiche Wissenschaftler haben sich der Erforschung dieses interessanten Naturstoffes gewidmet. Insofern ist dieses Thema mittlerweile sehr gut erforscht. Die verschiedenen historischen Methoden der Pergamentherstellung in Europa wurden detailliert von Autoren wie Ronald Reed, Hedwig Saxl, Richard Johnson und Daniel Thompson beschrieben. Die Arbeiten von William Visscher und Benjamin Vorst erlauben Einsicht in die Arbeit der zeitgenössischen Pergamenthersteller. Ein weiteres, sehr aufschlußreiches Buch stammt von Christopher S. Woods, 2002, From Skin to Parchment. A short description of the nature of skin, the chemical and physical changes brought about when turning skin into parchment and their implications for conservation, PapierRestaurierung Vol. 3 - No.4, S. 13-18. In Heidelberg beschäftigte sich der Sonderforschungsbereich 933 der Deutschen Forschungsgesellschaft „Materielle Textkulturen“ mit der Bedeutung des Pergamentes beim Wissenstransfer.
Pergament: Krankheiten und Heilung - Wasserschäden
Gerade im konservatorischen Bereich gibt es zahlreiche Bemühungen, Schäden am Pergament zu beseitigen. Ein beispielsweise in Äthiopien weit verbreitetes Problem ist das der Wasserschäden. Sie entstehen, wenn das zum Trocknen aufgespannte Pergament nicht vor Regenschauern geschützt wird. Die Hintergründe sind klimatisch bedingt, denn selbst innerhalb der Trockenzeit gibt es Perioden, in Niederschlag als einige wenige, recht große Tropfen fällt. Werden die trockenen, aufgespannten Häute davon getroffen, quillt das Pergament an diesen Stellen auf und verliert seine Glätte. Sind größere Bereiche der Haut betroffen, läßt es sich nicht mehr zum Schreiben verwenden. Solche Häute lassen sich oft noch retten. Die Häute werden nochmal aufweicht und ein zweites Mal auf einem Holzrahmen gespannt. Die Spannung hierbei sollte nicht allzu groß sein, denn Pergament zieht sich beim Trocknen stark zusammen. Sollten immer noch Unebenheiten weiterbestehen, kann man die betroffenen Stellen mit einer Sprühflasche leicht ansprühen und mit einem Bügeleisen bei geringer Hitze bügeln. Wenn das Eisen allerdings zu heiß ist, wird die Hautstruktur zerstört. Sie schrumpft zusammen und ist unwiderbringlich zerstört.